6. Mai 2019
In dieser Entscheidung hat der EuGH festgehalten, dass es grundsätzlich zulässig ist, eine Vorsteuererstattung beim Leistungsempfänger zu versagen, sofern die auf der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer fälschlicherweise ausgewiesen war. Anlass für einen derartigen Rechnungsausweis können bspw. reverse-charge Umsätze sein oder die falsche Zuordnung der bewegten Lieferung bei Reihengeschäften.
Allerdings erinnert der EuGH die Mitgliedstaaten nochmals daran, dass seitens der Mitgliedstaaten sehr wohl eine Verpflichtung besteht, rechtsgrundlos entrichtete Umsatzsteuer an den Leistungsbezieher direkt zurückzuzahlen, sofern dieser beim Leistenden keine Rechnungskorrektur mehr veranlassen kann und die Umsatzsteuer nachweislich an den Staat bezahlt worden ist.
An der Möglichkeit einer Rechnungskorrektur beim Leistenden wird es dann fehlen, wenn dieser zwischenzeitlich insolvent ist oder eine Berichtigungsmöglichkeit zivilrechtlich nicht mehr durchsetzbar ist (z.B.: Kalkulationsirrtum, der nur drei Jahre geltend gemacht werden kann).
Gegenstand dieser Entscheidung war die Frage, ob eine gesetzlich vorgesehene Gebühr für Zwangsvollstrecker (Gerichtsvollzieher) die Umsatzsteuer beinhalten oder nicht. Hintergrund der Frage ist, dass das polnische Gesetz über die Festsetzung von Vollzugsgebühren keine Regelung vorsieht, ob der festzusetzende Betrag die Umsatzsteuer für die Leistung des Gerichtsvollziehers umfasst.
Die Tätigkeiten der Gerichtsvollzieher wurden aber ab dem 9.6.2015 umsatzsteuerpflichtig anstelle umsatzsteuerbefreit behandelt, ohne dass sich die Regelungen über Vollzugsgebühren geändert haben. Dies führte zu einer wirtschaftlichen Belastung der Gerichtsvollzieher, welche die Gebühren zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung stellen wollten.
Der EuGH bestätigt zunächst, dass die Leistung des Gerichtsvollziehers eine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit darstellt. Dann führt er aus, dass das polnische Gesetz über Gerichtsvollzieher dem Gerichtsvollzieher keine Möglichkeit eröffnet, Umsatzsteuer als „sonstige Kosten“ in Rechnung zu stellen. Somit kann jeder Konsument davon ausgehen, dass die ihm in Rechnung gestellten Gebühren bereits die Umsatzsteuer enthalten und hält somit eine zusätzliche Inrechnungstellung der Umsatzsteuer für unzulässig.
Dass damit die Umsatzsteuer zu einem Kostenfaktor des Gerichtsvollziehers wird, obwohl die Umsatzsteuer den Konsumenten belasten sollte, beachtet der EuGH interessanterweise nicht, obwohl er in dieser Entscheidung in der Rz 50 explizit die Umsatzsteuer als vom Endverbraucher zu tragende Steuer bezeichnet.
Auch wenn die Beantwortung dieser Frage durch den EuGH von der lokalen polnischen Gesetzgebung beeinflusst wird, hat diese Entscheidung durchaus auch für österreichische Sachverhalte Bedeutung. Dies wird beispielsweise der Fall sein, wenn sich von Körperschaften öffentlichen Rechts vorgeschriebene „Gebühren“ im Nachhinein als Entgelt für einen umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausch herausstellen oder eine Steuerbefreiung nachträglich wegfällt.
Die enge Verknüpfung zwischen der zollrechtlichen Einstufung von Waren und deren verbrauchsteuerliche Behandlung führt immer wieder zu Zweifelsfällen bei Produkten, die nicht eindeutig einer der in der Nomenklatur vorgesehenen Beschreibung zuzurechnen sind.
Strittig war im vorliegenden Fall, ob ein Tabakprodukt, das auf Höhe des Filters zusätzlich mit einer weiteren Schicht aus Papier abgedeckt war, als „Zigarette“ oder „Zigarre“ einzustufen ist. Eine Einstufung als Zigarette würde die Verbrauchsteuer erhöhen. Ein derartiges Produkt ist in der Definition der Nomenklatur nicht beschrieben.
Der EuGH hat entscheiden, dass im vorliegenden Fall die zusätzliche Papierschicht offenbar nicht zum Genuss gedacht war, da sich nicht die Länge des Filters überragte. Demgegenüber ist es Zigaretten inhärent, dass bei deren Konsum auch die normalerweise aus Papier bestehende Hülle konsumiert wird. Dementsprechend kann auch eine optische Ähnlichkeit der in Frage stehenden Zigarren/Zigarillos nicht dazu führen, dass diese verbrauchsteuerlich als Zigaretten anzusehen sind.
Würde die aus Papier bestehende Schutzschicht hingegen über den Filter hinausreichen, bestünde eine erhebliche Gefahr einer Umdeutung.