31. Mai 2019
In dieser Entscheidung kommt der EuGH zum Schluss, dass die Veräußerung eines Wohngebäudes samt Grund und Boden einen einheitlichen Umsatz darstellt, sofern ein gemeinsamer Kaufvertrag vorliegt. Eine Aufteilung in eine Lieferung des Grund und Bodens sowie des Gebäudes ist nicht möglich.
Interessant ist, dass in Litauen offensichtlich die Steuerpflicht für Kleinunternehmer erst mit jenem Monat eintritt, in dem die Kleinunternehmergrenze erstmals überschritten wird und nicht rückwirkend alle Umsätze des Jahres der Steuerpflicht unterworfen werden, was zu entsprechenden Problemen führt. Inwieweit dies mit EU-Recht vereinbar ist, hat der EuGH nicht beantwortet.
Österreich setzt hingegen die Umsatzsteuer bei Überschreiten der Kleinunternehmergrenze rückwirkend fest. Erweist sich die litauische Regel als richtlinienkonform, würde die Übernahme dieser Regelung zu einer wesentlichen Vereinfachung für Kleinunternehmer führen.
Reichen ausländische Unternehmer Vorsteuerrückerstattungsanträge gemäß der EU-Richtlinie 2008/9/EG ein, können sie vom erstattenden Mitgliedsstaat aufgefordert werden innerhalb von einem Monat zusätzliche Informationen beizubringen. Fraglich war bei dieser Entscheidung, ob diese Frist eine Ausschlussfrist (wie der 30.9. des Folgejahres) darstellt und deshalb ein Überschreiten dieser Frist zur Versagung des Vorsteueranspruchs führen kann.
Der EuGH hat entschieden, dass diese Frist keine Ausschlussfrist darstellt und der Vorsteueranspruch nicht versagt werden darf, sofern die angeforderten Unterlagen in einem Rechtsmittelverfahren beibringt und somit die Mängel des Erstattungsantrags heilt.
Die Frage, wann eine Leistung als erbracht gilt, hat einen wesentlichen Einfluss auf den Zeitpunkt der Entstehung der Umsatzsteuer. Vor dem EuGH stellte sich die Frage, ob Montage- und Bauleistungen mit Fertigstellung der Tätigkeiten oder aber erst mit der Abnahme durch den Auftraggeber als erbracht gelten.
Der EuGH kommt zum Schluss, dass die Leistung erst mit der Abnahme durch den Auftraggeber als erbracht gilt, sofern dies vertraglich festgehalten war und den Gegebenheiten der Branche entspricht. Er begründet diese damit, dass erst die Abnahme durch den Auftraggeber den Umfang der erbrachten Leistung und somit auch die Höhe des Entgelts festlegt.
Interessant sind die Ausführungen in Rz 27 wonach bei der Einstufung einer Transaktion die wirtschaftliche und geschäftliche Realität ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt, das zu berücksichtigen ist.
Die Aufblähung von Umsatzzahlen mittels An- und Verkäufen innerhalb derselben Unternehmensgruppe zur Erlangung von Finanzierungen kann ungeahnte umsatzsteuerliche Folgen haben.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall verkauften verschiedene Gesellschaften desselben Stromkonzerns Energie untereinander, um ihre wirtschaftliche aufzublähen und somit bessere Finanzierungen zu erhalten. Diese Verkäufe gestalteten sich so, dass jeweils die gleiche Menge Energie zu demselben Preis hin- und herverkauft wurden.
Unstrittig wurde die Umsatzsteuer aus diesen Verkäufen an das Finanzamt abgeführt. Nichtsdestotrotz kam die italienische Steuerverwaltung zur Schlussfolgerung, dass den Verkäufen keine wirtschaftliche Realität entsprach und versagte den Vorsteuerabzug aus den Stromverkäufen.
Gleichzeitig sprach sie ein Bußgeld iHv 100% der nicht zum Vorsteuerabzug zugelassenen Vorsteuer aus.
Zunächst bestätigt der EuGH, dass für den Steuerpflichtigen aus fiktiven Umsätzen kein Vorsteuerabzug besteht. Allerdings wird auch bei fiktiven Umsätzen die Umsatzsteuer aufgrund eines Rechnungsausweises geschuldet.
Rz 34 dieses Judikates birgt aber auch Sprengkraft für die in Österreich herrschende Ansicht, dass bei der – vor allem finanzstrafrechtlich bedeutsamen - Frage des Steuerausfalls die Umsatzsteuerschuld von der Vorsteuerabzugsmöglichkeit des Unternehmers und Abnehmers getrennt werden muss: der EuGH stellt eindeutig fest, dass die fiktiven Verkäufe von Elektrizität zwischen den Gesellschaften zu einem Verlust von Steueraufkommen geführt haben.
In derartigen Konstellationen entspricht es nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die beteiligten Unternehmer mit einer Strafe in Höhe von 100% der zu Unrecht abgezogenen Umsatzsteuer zu belegen, selbst wenn vorsätzliches Handeln unterstellt wird.
Diese EuGH-Entscheidung beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit die Umsatzsteuerschuld des Leistenden korrigiert werden kann, wenn er nicht den gesamten Forderungsbetrag vom Schuldner erhält, weil dieser insolvent ist.
Der EuGH bestätigt abermals, dass die Möglichkeit die eigene Umsatzsteuerschuld zu berichtigen nicht davon abhängig gemacht werden darf, dass der Steuergläubiger die ebenfalls anzupassende Vorsteuer beim Schuldner eintreiben kann. Insbesondere darf die Berichtigung der Umsatzsteuer auch nicht daran geknüpft werden, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Korrektur noch mehrwertsteuerpflichtig ist.
In seiner Urteilsbegründung weist der EuGH auch darauf hin, dass es dem Grundsatz der Neutralität entgegenlaufen würde, wenn der Unternehmer in seiner Eigenschaft als Steuereinnehmer für Rechnung des Staates auch noch ein Ausfallsrisiko tragen müsste. Immerhin agiert der Unternehmer jn dieser Funktion unentgeltlich.
Diese EuGH-Entscheidung beschäftigt sich (wieder einmal) mit der Frage des Vorsteuerabzugs bei sogenannten „gemischten Aufwendungen“, die sowohl wirtschaftliche als auch nichtwirtschaftliche Tätigkeiten betreffen.
Wenig überraschend kommt der EuGH zum Schluss, dass auch bei sogenannten „gemischten Aufwendungen“ der Vorsteuerabzug nur in dem Ausmaß zusteht, in dem die gemischten Aufwendungen – wenn auch im Schätzungsweg – den wirtschaftlichen Tätigkeiten zuzurechnen ist.
Dies ist unabhängig davon, ob das nationale Recht – in diesem Fall das polnische Umsatzsteuerrecht – expressis verbis einen Aufteilungsmodus für gemischte Aufwendungen vorsieht, da sich das tlw. Vorsteuerabzugsverbot bereits aus dem Grundsatz des Mehrwertsteuersystems ergibt.
Die Aufteilung von gemischten Aufwendungen stellt sich nicht nur im Zusammenhang mit Körperschaften öffentlichen Rechts oder Vereinen sondern auch im Zusammenhang mit Holdinggesellschaften.
Auch die umsatzsteuerliche Behandlung von Tankkartenmodellen – in diesem Fall auch in Verbindung von Fuhrparkmanagement - ist immer wieder Gegenstand von EuGH-Verfahren.
Dem Tenor dieses Judikates kann entnommen werden, dass der EuGH für die Erlangung der „Verschaffung der Verfügungsmacht“ nach wie vor darauf abstellt, dass der Unternehmer entweder bei der Bestellung von Waren involviert ist oder tatsächlich – auch physisch – über die Gegenstände der Lieferungen verfügen kann.
Dieses Erfordernis wird dann nicht erreicht, wenn der Endabnehmer (idF Leasingnehmer) die Gegenstände der Lieferung selbst aussucht und gleichzeitig in Empfang nimmt, auch wenn er diese im Namen des „Zwischenhändlers“ bestellt.
Auch wenn sich diese Entscheidung zunächst auf Fuhrparkverwaltung und Tankkarten bezieht, kann seine Anwendung auf andere Bereiche nicht ausgeschlossen werden. Immerhin hält der EuGH in Rz 27 und 28 des Judikates fest, dass der Begriff der „Verschaffung der Verfügungsmacht“ einen objektiven Charakter hat und unabhängig von Zweck und Ergebnis der betroffenen Umsätze anwendbar ist.
Fraglich könnte vor diesem Hintergrund – trotz anderer nationaler höchstgerichtlicher Entscheidung sein – ob Apotheken tatsächlich an die Sozialversicherungsträger liefern und die Rezeptgebühr lediglich Entgelt von dritter Seite darstellt, obwohl die Sozialversicherungsträger bei der Auswahl der Medikamente nicht involviert sind.
Gleichzeitig kann aus dieser Entscheidung abgeleitet werden, dass sogenannte „Einkaufsgesellschaften“ tatsächlich in den Bestellvorgang involviert sein müssen um nicht Gefahr zu laufen, umsatzsteuerlich aus der Lieferkette zu fallen.